Die GRÜNEN Eisenstadt bekennen sich zu einer Flüchtlingspolitik mit Herz und Verstand. Nächtliche Abschiebung von gut integrierten Jugendlichen, die in Österreich geboren sind, darf einfach nicht mehr vorkommen. Das Kindeswohl ist ein Menschenrecht und muss bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden. Eine automatische Zuerkennung der Staatsbürgerschaft für in Österreich geborene Kinder ist wünschenswert – unsere Meinung deckt sich hier mit jener von 44% der ÖsterreicherInnen laut einer aktuellen Umfrage des Magazins PROFIL (zum Artikel).
Wir befürworten das Einsetzen der Bleiberecht-Kommission im Justizministerium und werden – wie viele andere grüne Gemeindegruppen in ganz Österreich – in der nächsten Gemeinderatssitzung folgenden Resolutionsantrag einbringen:
Betreffend vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls in allen Phasen des Asylverfahrens und Reform des humanitären Bleiberechts
Am 28. Jänner wurden Schüler*innen und deren Familien, die teilweise in Österreich geboren und aufgewachsen sind, auf unmenschliche Art und Weise aus ihrem Leben gerissen und nach Georgien bzw. Armenien abgeschoben.
Alle Betroffenen hatten ihren Lebensmittelpunkt in Österreich, sprachen Deutsch auf Muttersprachen-Niveau und hatten kaum mehr Beziehungen zu ihren vermeintlichen Herkunftsstaaten. Sie stellten teilweise mehrere Asylanträge, die allesamt abgelehnt wurden. In den Fällen von zwei Armenierinnen aus Wien wurden noch im Mai 2020 Anträge auf humanitäres Bleiberecht (§ 55 AsylG) gestellt, die jedoch vom BFA nicht bearbeitet wurden.
Wie sehr die Familien in Österreich verwurzelt und Teil unserer Gesellschaft waren, zeigten die großen Protestaktionen in den sozialen Medien und vor Ort unmittelbar vor der Abschiebung. An der Kundgebung vor dem Abschiebezentrum für Familien in Wien-Simmering nahmen ca. 160 Personen teil; darunter waren auch Politiker*innen der Grünen, der NEOS, und der SPÖ. Am selben Tag äußerten sich nicht nur zahlreiche Politiker*innen der Grünen, der NEOS und der SPÖ, sondern auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu den Fällen. In einer Videobotschaft hielt er fest: „Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies in dieser Form wirklich notwendig ist.“ Er habe in dieser Frage zwar keine formale Zuständigkeit, aber eine klare Haltung und führte aus: „Wir müssen einen Weg des menschlichen, respektvollen Umganges miteinander finden. Gerade, wenn Kinder die Hauptleidtragenden sind. Geben wir dem Wohl von Kindern, von Kindern und Jugendlichen Vorrang.“
Das Innenministerium begründete die Abschiebung der Familien indem es auf höchstgerichtliche Entscheidungen und das Gebot der Rechtsstaatlichkeit verwies („Politik müsse dem Recht folgen“). In allen Entscheidungen sei auch eine Prüfung des Kindeswohls vorgenommen worden. Zuständige Anwält*innen hielten dem entgegen, dass die Kinderrechte und das Wohl des Kindes nicht ausreichend berücksichtigt worden waren.
Genau in diesem Punkt besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber und die Vollziehung. Denn die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls bei allen Kindern betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen ist zwar verfassungsrechtlich verankert (Art. 1 Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern); im Kriterienkatalog zur Beurteilung des Privat- und Familienlebens, der in Fällen des humanitären Bleiberechts nach § 55 AsylG heranzuziehen ist, ist das Wohl des Kindes aber nicht aufgelistet. Auch in der Rechtsprechung des EGMR und der österreichischen Höchstgerichte zu Art. 8 EMRK wurde der Vorrang des Kindeswohls bislang wenig beachtet.
Dasselbe gilt jedoch schon für das gesamte Asylverfahren, das der Prüfung des humanitären Bleiberechts meist vorangeht. Auch hier wird das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt. Konkreter Handlungsbedarf besteht auch angesichts einer aktuellen Entscheidung des EuGH. In seinem Urteil vom 14.1.2021 hielt der EuGH im Fall einer drohenden Rückführung eines unbegleiteten Asylsuchenden in sein Herkunftsland nämlich fest, dass das Kindeswohl in allen Stadien des Verfahrens vorrangig berücksichtigt und umfassend geprüft werden muss. Der Gerichtshof verwies auf die entsprechende Verpflichtung aus Art. 24 der EU Grundrechte-Charta („Rechte des Kindes“). Die Schlüsse des EuGH sind auch auf das Asylverfahren anzuwenden und gelten für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig davon, ob sie im Familienverbund oder alleine geflüchtet sind.
Dieses Urteil soll nun ein weiterer Anlass sein, die österreichische Gesetzgebung und Vollziehung im Hinblick auf die Beachtung des Kindeswohls im Asylverfahren und bei der Gewährung von humanitärem Bleiberecht zu verbessern.
Zudem ist dringend eine Reform des humanitären Bleiberechts (§§55 und 56 AsylG) geboten, indem in diesen Verfahren wieder die Länder und Gemeinden in Form von Härtefallkommissionen verpflichtend eingebunden werden. In diesen Verfahren werden vorwiegend menschliche Gesichtspunkte geprüft, wie die Integration der Betroffenen, wie lange sie in Österreich leben, ob sie in die Schule gehen, wie sie in der Gesellschaft vernetzt sind und wie sie sich beruflich und ehrenamtlich engagieren.
All das kann von Behörden und privaten Stellen, die möglichst nahe an den Betroffenen sind, besser beurteilt werden als von Bundesbehörden, wie die bewährte Praxis bis 2014 und die enge Kooperation zwischen den Landeshauptleuten, Bürgermeister*innen und privaten Organisationen gezeigt hat. Bis zum Jahr 2014 entschieden die Landeshauptleute (mit Zustimmung des BM.I) über die Gewährung des humanitären Bleiberechts. Seit die Zuständigkeit für die Gewährung des humanitären Bleiberechts an das Innenministerium und somit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übergegangen ist, kam es zu zahlreichen Fällen, in denen menschliche Aspekte zu wenig beachtet wurden.
Die Gewährung des humanitären Bleiberechts in Härtefällen unter Einbindung von Härtefallkommissionen in den Ländern kann sich besser an den Lebensrealitäten und dem Umfeld der Betroffenen orientieren und die relevanten Umstände in ihre Entscheidung miteinfließen lassen. So sollen Härtefälle, wie die oben beschriebenen in Zukunft vermieden werden.
Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten / Gemeinderät*innen folgenden.
RESOLUTIONSANTRAG
Der Gemeinderat der Landehauptstadt Freistadt Eisenstadt möge beschließen:
- „Der Bürgermeister wird aufgefordert, sich bei der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesminister für Inneres, dafür einzusetzen, dass das Kindeswohl in allen Phasen des Asylverfahrens und insbesondere in Fällen des humanitären Bleiberechts vorrangig berücksichtigt wird, damit unmenschliche Abschiebungen wie jene in der letzten Jännerwoche in Zukunft vermieden werden können.
- Darüber hinaus wird der Bürgermeister aufgefordert, sich bei der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesminister für Inneres, dafür einzusetzen, die Länder – unter Einbindung der betroffenen Gemeinden – im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung mit Instrumenten wie etwa Härtefallkommissionen auszustatten, damit gut integrierten Personen und Familien ein humanitäres Bleiberecht gewährt werden kann.
Wir hoffen auf die Unterstützung aller Fraktionen im Gemeinderat.